Elektromobilität und Energiesystem

Immer kompatibel?

Elektromobilität ist einer der Schlüssel der Energiewende im Verkehr. In den vergangenen Jahren hat sie sich rasant entwickelt: Mittlerweile sind insgesamt rund 760.000 reine Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs – ein Plus von 83,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, Deutschland zum Leitmarkt und zum Leitanbieter von E-Mobilität zu machen, so wie es sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat. Ebenso herausfordernd ist das Ziel, bis 2050 den Verkehr C02 frei zu gestalten und zu dekarbonisieren. Hierzu müssen neue und alternative innovative Antriebstechnologien bestehende ersetzen und diese müssen dann kompatibel sein mit alternativen (grünen) Antriebsenergien. Sprich: die Elektromobilität und das Energiesystem müssen kompatibel sein. Eine weitere Herausforderung wird die Verfügbarkeit von Fahrzeugen sein. Vor welchen Herausforderungen stehen wir und welche Chancen gibt es? Darüber sprachen wir mit Jan Strobel vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW):

Jan Strobel, Vorsitzender BDEV

WTSH-Online Redaktion: Wo stehen wir im Bereich der Elektromobilität in Deutschland – muss sich Deutschland verstecken?

Jan Strobel: Die aktuelle Marktentwicklung zeigt, dass in den vergangenen vier Jahren in Deutschland sehr viel passiert ist: Die installierte öffentliche Ladeleistung hat sich vervierfacht auf über 2 GW, es wurde entlang der Fernverkehrsachsen flächendeckend ultraschnelles Laden >150 kW aufgebaut und die Angebote vieler E-Mobilitätsdienstleister decken zu demselben Preis mehr als 95 Prozent der öffentlichen Ladepunkte ab. Die E-PKW-Zulassungszahlen sind unter anderem infolge der Verschärfungen in den CO2-Flottengrenzwerten Ende 2020 und Ende 2021 sprunghaft angestiegen. Das bedeutet, dass da gerade sehr viel Schwung im Markt ist, den wir weiter ausbauen können. Und verstecken müssen wir uns also nicht. 

WTSH-Online Redaktion: Konkreter: Die Elektromobilität wird in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen, um die Verkehrs– und Energiewende voranzubringen. Das bedeutet, es wird eine Zunahme von E- Fahrzeugen geben. Welche Auswirkungen hat denn der Markthochlauf der Elektromobilität auf das Energiesystem (der Zukunft)?

Jan Strobel: Eigentlich ist Elektromobilität ein eigenständiges, europäisch orientiertes System. Klar ist aber, dass die Elektromobilität grünen Strom braucht und erfolgreich in die Stromnetze integriert werden muss. Das ist die Verbindung zum Energiesystem. Aber da sind wir optimistisch sowohl hinsichtlich des grünen Stroms und auch mit Blick auf die Netzintegration sehen wir eine gute Basis. Vor vier Jahren haben wir zum Beispiel gemeinsam mit dem VDE/FNN eine "Metastudie zur Netzintegration der Elektromobilität“ durchführen lassen. Die Ergebnisse dieser Studie haben weiterhin Bestand. Herausgekommen ist, dass zum damaligen Zeitpunkt ca. 13 Millionen E-Autos ins Stromnetz integriert werden könnten und etwaige temporäre lokale Engpässe durch ein Lademanagement erfolgreich vermieden werden können. Da neben der Zulassung von neuen E- Fahrzeugen auch die Netzinfrastruktur weiterentwickelt wird, passt das weiter zusammen. Und: Da der Bundestag außerdem mittlerweile die Bundesnetzagentur beauftragt hat, Regelungen zum Lademanagement zu entwickeln, haben wir eine gute Chance, wesentliche Fragen der Netzintegration erfolgreich zu klären. 

WTSH-Online Redaktion: Inwiefern muss sich denn das Verteilernetz auf E-Mobilität vorbereiten?

Jan Strobel: Gute Frage! Für die Verteilnetzbetreiber ist es wichtig, möglichst frühzeitig zu wissen, was an neuer Last ins Netz kommt – oder besser gesagt – aus dem Netz gezogen wird. Das verbessert Ihre Netzausbauplanung und ist auch wichtig für einen schnellen Netzanschluss. Daneben ist für die Verteilnetzbetreiber natürlich wichtig zu wissen, wie die angesprochene Regelung der Bundesnetzagentur zum Lademanagement aussehen wird, damit sie sich und ihre Planung darauf vorbereiten können. Am Ende wird es für die Netzbetreiber auf einen Mix hinauslaufen von Netzausbau und Intelligenz auch im Niederspannungsnetz. 

WTSH-Online Redaktion: Welche Entwicklungschancen für die E-Mobilität und deren Netzintegration sehen sie in Schleswig-Holstein?

Jan Strobel: Im Energiewendeland Schleswig-Holstein kann man jetzt schon gut sehen, wie Energiewende und Elektromobilität Hand in Hand gehen. Zum Beispiel daran, dass es gerade dort eine hohe E-Fahrzeugdichte gibt, wo besonders viel grüner Strom produziert wird. Und es gibt ja auch einige Unternehmen in Schleswig-Holstein, die den Standortvorteil günstiger grüner Energie auch für die Verkehrswende nutzen. Von daher bin ich auf die Entwicklung bei Ihnen im echten Norden in den nächsten Jahren gespannt. 

Das Interview führte Ute Leinigen

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